Tag Archive: Gartenarbeit


erschienen im Hamburger Abendblatt am 23. September 2011

Zurzeit ist das Glück in aller Munde. Eigentlich ist das Glück ja immer in aller Munde, zurzeit aber wie gesagt ganz besonders. Da trifft es sich gut, mit einem praktischen Beispiel aus dem Alltag aufwarten zu können, das einen klaren Blick darauf wirft, wann der Mensch wirklich glücklich ist. In diesem Fall ist der Mensch männlich und heißt Rolf.

Das mit dem Glück ging bei Rolf so: Er hatte sich entschlossen, im Garten zu arbeiten. Die Hecke musste geschnitten werden. Also war es kein freier Entschluss, sondern eher einer von denen, zu denen man gezwungen wird, man könnte auch verpflichtet wird sagen. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem die Spinnen auftreten. In ihrem Netz bilden sie ein nicht sehr angenehmes Gegenüber und werden mit einem weit ausholenden Rundumschlag mit Hand und Arm entfernt. Dabei aber rutscht die Brille von der Nase und macht Rolf von einer Sekunde zur anderen fast blind.

Unser Gartenarbeiter muss also schweren Herzens aufgeben, die Hecke zu schneiden. Jetzt ist erst einmal Brille suchen angesagt. Aber die Brille will nicht so, wie Rolf gerne möchte. Eigentlich müsste sie vor seinen Beinen liegen, aber er findet sie nicht. Auch die herbeigerufene Ehefrau findet sie nicht. „Ich finde die Brille nicht ohne Brille!“, ist der verzweifelte Ausruf des gartenarbeitswilligen Mannes.

Beide suchen nun die Brille. Die Brille bleibt verschwunden.  Hatte ich überhaupt eine Brille auf? fragt Rolf sich verzweifelt und wird immer unglücklicher. Er zweifelt an sich selbst. Er vertagt. Er vertagt auf den nächsten Tag.

Der nächste Tag bringt die erhoffte Wende. Das Ehepaar geht noch einmal Hand in Hand an den Ort des Geschehens und siehe da: Die Brille liegt im wuchernden Immergrün am Boden vor ihnen. Wo war sie gestern? Wie kommt sie wieder hierher? Rolf ist wieder glücklich und fragt nicht viel, Hauptsache, er kann wieder sehen und spart sich den Weg zum Optiker.

Was sagt uns dieses Beispiel? Das Glück ist ungerecht. Es ist nie für alle gleich zu haben. Mal beglückt es den Brille verlierenden Gartenarbeiter und mal den Optiker. Fälle, in denen der Brille verlierende Gartenarbeiter auch gleichzeitig Optiker ist, scheinen selten zu sein…

erschienen im Hamburger Abendblatt am 2. September 2011

Jetzt bin ich mir nicht mehr so ganz sicher, ob ich in das Klagelied über den verregneten Sommer weiterhin mit einstimmen sollte. Es gab da nämlich ein Gespräch. Das war ein Gespräch mit einem lieben und männlichen Kollegen, dem ich bislang so ohne weiteres nicht zugetraut hätte, ein gefühlsschwangeres Wort in den Mund zu nehmen – dieses Wort lautet Sehnsucht!

Ja, er bekannte sich, Sehnsucht zu verspüren. Es geschah wie gesagt im Zusammenhang mit einem Gespräch über den verregneten Sommer. Das hätte mich stutzig machen sollen, ich weiß. Denn er sprach nicht von Sehnsucht nach der Sonne, nach der Liebe, nach all so schönen Dingen – er sprach von der Sehnsucht, nun doch endlich einmal den Rasen mähen zu können! Sie haben richtig gelesen: Ein Mann redet von der Sehnsucht danach, endlich wieder einmal seinen Rasen mähen zu können.

So weit hat es der verregnete Sommer gebracht. Er bringt unsere Männer zum sehnsuchtsvollen Träumen danach, ihren Pflichten in Sachen Gartenarbeit nachkommen zu können. Sonst – ich erinnere mich – haben sie das eher von sich gewiesen und nicht mit Hochstimmung und Sehnsucht reagiert, wenn es darum ging, dem heimischen Rasen ein stets schön rasiertes Äußeres zu gewährleisten.

Frauen, wollen wir ein Fazit ziehen? Wollen wir in ein Loblied auf den verregneten Sommer ausbrechen und uns über diese neuen Gefühlsausbrüche unserer Männer freuen? Sie meinen, es sei nur einer gewesen, das gelte nicht für alle? Na ja, irgendwie sind sie doch alle gleich…