erschienen im Hamburger Abendblatt am 22. Juli 2011

Mutter Natur, Großmutter, Schwiegertocher und Enkel - einer davon unsichtbar...

Mit den Maßen ist das so eine Sache im Leben. Beginnen wir dort, wo es immer beginnt: am Anfang. Denken wir uns also vorwärts und voran. Wir Frauen wissen, was das bedeutet. Am Anfang unserer Schwangerschaften ist der Bauch noch kein Bauch, allerhöchstens ein Bäuchlein. Dann genießen wir es, wenn wir von Woche zu Woche sehen und fühlen: Der Bauch wächst.

Das Maß aller Dinge ist es, dass er wächst! Dazu kann ich nur sagen: Nie mehr in unserem Leben werden wir das so sehen und begrüßen und mit unserer Kritik daran mehr als maßvoll umgehen, genauer gesagt – in dieser Lebensphase gibt es sie gar nicht. Maßlos entspannt also sehen wir dem Wachstum unseres Bauches zu und freuen uns daran!

Dann werden wir entbunden und das Maß aller Dinge ist nun der neue Erdenbürger. Er ist nicht nur das Maß aller Dinge, er setzt auch alle Maßstäbe und oft stellt er die alten radikal auf den Kopf. Oft? Nein, immer! Nichts geht mehr im alten Trott und Maß, wenn ein Kind geboren worden ist. Wir gewöhnen uns und im glücklichen Fall genießen wir, wie sich mit dem Wachstum die Maße wandeln, verschieben, verrücken, biegen und schwanken. Cèst la vie! Das lebendige Leben setzt und legt von nun an seinen Maßstab an. Könnte man auch sagen, zwingt ihn uns auf?

Wenn wir ganz viel Glück haben, läuft alles so gut ab, dass wir oftmals wirklich über die Maßen glücklich sein dürfen. Ich vermute, und wir alle wissen: Das ist nicht immer Fall. Wenn wir auf diese Weise weiter philosophieren, könnte es schwierig werden. Wie oft fühlen wir uns durch Maßgaben anderer eingeengt und rufen nach mehr Freiheit.

Da schließt sich nun erstaunlicherweise der Kreis zum maßlos schönen dicken Bauch glücklicher, schwangerer Frauen, denn keiner wird ernsthaft bestreiten können: Die schwangeren Bäuche der Frauen samt Inhalt sind das Maß aller lebendigen menschlichen Dinge. Gut gebrütet, ist ganz gelebt!