Ort: Michaeliskirche, 21149 Hamburg, Cuxhavener Str.323

Sonntag, 9. Dezember 2012, 11 Uhr

Thema: Prophetinnen, die weibliche Stimme Gottes

Zum zweiten Mal in diesem Jahr am altgewohnten Platz zum 2. Advent hat die Dekade-Gruppe der Michaelisgemeinde in Hamburg Neugraben ihren Dekade Gottesdienst vorbereitet. Die in wechselnder Zusammensetzung arbeitende Frauengruppe ist schon seit 20 Jahren aktiv. Geleitet wird sie von Renate Gresens, Trägerin der Bugenhagen Medaille der evangelischen Nordkirche, der höchsten Auszeichnung, die die Nordkirche zu vergeben hat.

Gottesdienst, gestaltet von: Renate Gresens, Diana Krekow,Renate Lehmann,  Heidi Leuteritz, Lisa P., Johanna Renate Wöhlke

Vorbereitung und Durchführung liegen in den Händen der Frauen.

Renate Gresens:

Diesmal geht es um Prophetinnen-gestern und heute. Wer oder was sind sie? Was sagt die Bibel über sie – Beispiele und Texte dazu. Welche Bedeutung haben sie heute, können sie heute haben?Die Leiterin der Gruppe, Renate Gresens, in einem kurzen Statement dazu: ” Wer die Texte des Alten Testamentes genau liest, kommt an den Prophetinnen nicht vorbei. Zwar trägt kein Buch die Namen Debora, Mirjam oder Hulda – das ist den männlichen Propheten vorbehalten – aber ihr Wort galt im alten Israel gleichermaßen.

Auch im Neuen Testament und in den frühen christlichen Gemeinden wird von Prophetinnen berichtet und selbst heute gibt es Menschen mit prophetischer Gabe – gar nicht so wenige!

In einem Gedicht von Lisianne Enderli liest sich das so:
…auch Du bist Prophetin
ausgespannt zwischen Himmel und Erde,
in deinen Händen liegt Licht und Wahrheit
und du erzhählst von Unrecht und Schmerz
und vom kommenden Leben,
das leise unaufhaltsam unter uns Gestalt annimmt.

Ein weiterer Text aus dem Gottesdienst zum Thema, der den Bogen in die heutige Zeit spannt, ist von

Heidi Leuteritz:

Was ist eine Prophetin, was ist ein Prophet?
Als Aufgabe der Prophetie verstehen viele Menschen die Zukunftsschau, also Hellseherei, Horoskope oder Wahrsagerei. Das ist es aber nicht. Es ist vielmehr Weitsicht, Entwicklungen mit Weitsicht sehen und den Menschen mitteilen. Die Zukunft spielt eher eine untergeordnete Rolle. Prophetinnen und Propheten sind dazu berufen, immer wieder an Gottes Willen zu erinnern und zu mahnen. Sie sind sozusagen das Sprachrohr Gottes. Indem sie Missstände benennen und einen besseren Weg aufzeigen, wirken sie richtungsweisend
.
Sie treten mit Autorität vor die Öffentlichkeit, ihre Worte sollen von möglichst vielen Menschen gehört werden. Dazu brauchen sie besondere Erkenntnis, sie brauchen Mut, aber sie brauchen auch ein Gefühl für den richtigen Zeitpunkt. Die Zeit muss reif sein für eine Richtungsänderung.

Prophetie kann eine recht undankbare Aufgabe sein, denn die Menschen lassen sich nicht gerne sagen, dass sie etwas anderes tun sollen als das, was sie bisher für richtig und wichtig hielten. „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen“, sagt z. B. im AT der Prophet Jesaja. Das bedeutet eine Umkehrung der Werte.

Gibt es auch heute noch Prophetinnen und Propheten?
Zu den modernen Propheten zählen vielleicht die Menschenrechtler, Männer und Frauen, die in China, Nepal, Russland und überall auf der Welt ihre Freiheit und ihr Leben riskieren. Es gab auch solche Menschenrechtler in Deutschland, zur DDR Zeit und zur Nazizeit. Waren die Widerstandskämpfer Propheten? Ja, vielleicht. Vor allem wenn sie versuchten, die Öffentlichkeit zu erreichen, was für sie extrem gefährlich war.

Wir denken dabei an verschiedene Gruppen, wir denken auch an „weiße Rose“ und dabei an Sophie Scholl, die genau wie ihr Bruder Hans 1943 wegen der Verteilung von staatskritischen Flugblättern in München hingerichtet wurde, noch nicht einmal 22 Jahre alt. Christlich- humanistisch erzogen war sie zunächst vom Gemeinschaftsgeist der Nationalsozialisten überzeugt, änderte aber später ihre Meinung, nicht zuletzt nach der Lektüre der Werke des Kirchenlehrers Augustinus von Hippo. Sie entschloss sich zu öffentlicher Kritik und beteiligte sich an den Flugblatt Aktionen der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“.

Bei der Verteilung des 6. Flugblattes in der Münchner Universität erwischte und verriet der Hausmeister sie. In dem Flugblatt wurde zum Sturz des NS-Regimes aufgerufen und für ein neues geistiges Europa geworben. Das war „landesverräterische Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung“. Darauf stand die Todesstrafe. Eine krassere Umkehr der Werte ist wohl kaum vorstellbar.
Morgen (10. 12. 2012) ist der Tag der Menschenrechte. Wir können froh und dankbar sein, dass inzwischen immer mehr Regierungen die Menschenrechte in ihre Verfassung aufgenommen haben. Ein neues geeintes Europa, wie wir es heute haben, hätte Sophie Scholls Erwartungen vielleicht noch übertroffen.

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