Ein Klassiker!
Philemon und Baucis
Ein Kunstband über Bäume des Jahres 2009


Ein Kunstband über Bäume des Jahres 2009
erschienen im Hamburger Abendblatt am 26. Februar 2011
Blutspenden sind wichtig. Wer sie jemals gebraucht hat, weiß das. Wer sie jemals bekommen könnte, sollte das wissen. Der wichtigste Saft der Welt ist nicht aus der Retorte zu haben. Nichts mit künstlich. Nichts mit Chemie. Nichts mit mal eben so um die Ecke besorgen, leicht und locker zur freien Verfügung wann immer wir wollen. Ohne den Menschen und seinen Körper geht das nicht. Hier braucht der Mensch den Menschen, so nah und so unmittelbar wie wohl kaum sonst im Leben.
Soweit zum Ernst der Lage. Aber es gibt auch fröhliche Momente in diesem Zusammenhang, fröhliche Gedanken und fröhlich stimmende Geschichten. Die Patientin, die mir gegenübersitzt, braucht fremdes Blut, dringend. Sie wird es bekommen. Vier Beutel sollen es sein. Da gehen die Gedanken auch andere als nur medizinische Wege.
Von wem mögen diese Spenden sein? Wir fragen uns das und kommen auf den Gedanken, wie es denn wäre, ein Brasilianer wäre dabei, ein Schwede vielleicht, ein Franzose oder gar auch ein Italiener. Mischen sich mit dem Blut auch die Temperamente? Könnten sie abfärben, könnten sie übergehen in den zu versorgenden Körper – und was dann? Es handelt sich bei dieser Patientin um ein norddeutsches Gardemaß!
Lachen und Fröhlichkeit sind angesagt an diesem Punkt der Überlegungen. Am Ende steht dann die alle bewegende Frage: Wäre das Blut von einem Italiener, müsste man dann vielleicht das Temperament eines lebenslustigen Berlusconi in Kauf nehmen? Rätseln Sie weiter. An diesem Punkt der Diskussion beginnt die Gedankenfreiheit…
erschienen im Hamburger Abendblatt am 21. Februar 2011
Es ist kochen angesagt. Wer es noch nicht wissen sollte: Kochen ist Präzisionsarbeit, kochen ist Kunst, kochen verlangt Konzentration, Organisation – all diese wirklich wichtigen Fähigkeiten eben, die zu besitzen im Leben nie schaden kann. Keiner zweifelt das an in dieser Welt, denn das Fernsehen ist voller Kochsendungen, und da kann man das immer genau beobachten, nicht wahr?
In diesem Fall ist keine Fernsehkamera dabei, denn in dieser Küche kocht ein ganz gewöhnlicher Mensch, für den sich kein Fernsehsender je interessieren würde. Aber dieser Mensch ist wichtig, sehr wichtig sogar. Von seinem Können hängt es nämlich ab, ob täglich eine ganze Familie am Mittagstisch nicht nur satt wird, sondern auch mit Genuss die Mahlzeiten verspeist.
Dieser Koch hat dafür so seine Tricks, erzählte er mir neulich. Die Geschichte mit der Musik ist spannend und darf auch weitererzählt werden. Er kocht nämlich gern mit Musik in der Küche. Er hat da so seine speziellen CDs, die er gerne hört. Heute ist es wunderbare Barmusik, am Piano gespielt, einen Titel nach dem anderen hören wir, während auf dem Herd ein köstliches Mahl entsteht. Warum nun aber die Musik?
Unser Koch erklärt: „Das ist so, Musik ist in diesem Fall besser als jede Uhr“ - er legt das Rumpsteak in die Pfanne und das heiße Fett erzeugt wunderbar brutzelnde Geräusche – „denn jetzt hat dieser Titel gerade angefangen zu spielen und ich kann an der abgespielten Zeit sehen, dass bald eine Minute vergangen sein wird und ich muss das Steak wenden. So einfach ist das!“
Ich habe verstanden. Kochen mit Musik, das hat was. Ich überlege: Demnach gibt es die perfekten „Steakbrattitel“ und wenn eine Gulaschsuppe gekocht werden soll, müsste es schon eine Beethoven-Symphonie sein, die da zeitmäßig die Kochdauer vorgäbe. Wir alle merken: Kochen mit Musik – das scheint wirklich ein musikalisch interessanter Ansatz zu sein, der bislang – auch im Fernsehen und in Kochbüchern – noch nicht die gebührend gewürdigt worden ist!
erschienen im Hamburger Abendblatt am 18. Februar 2011
Die wohl unwichtigste Frage in unserem Kulturkreis ist sicherlich für die meisten Menschen: „Wie nehme ich möglichst schnell an Gewicht zu?“ Es ist ganz klar, dass 99,9 Prozent der Bevölkerung diese Frage mit einem ungläubigen Kopfschütteln begleiten. Da interessiert sich jemand dafür, wie er schnell zunehmen könnte? Keiner hier will zunehmen. Alle wollen abnehmen. Ich kenne Leute, die stellen sich jeden Morgen erwartungsvoll auf die Waage und gehen erfreut in den Tag, wenn sie nur 100 Gramm weniger wiegen als am Tag davor. Welch eine unwichtige Frage also, diese Frage?
Wie komme ich überhaupt darauf? Am Tisch gegenüber sitzt eine sehr schlanke junge Frau und berichtet lachend davon, dass sie ganz genau wisse, wovon sie sehr schnell ganz viel zunehmen könne: Wenn sie noch einmal jung wäre und wieder diesen Job als Verkäuferin in einer Eisdiele hätte. Damals, so erinnert sie sich, hat sie mehrere Kilogramm in kurzer Zeit zugenommen – so gut schmeckte das Eis. Heute machte sie das natürlich niemals mehr. Heute achtet sie auf ihre Figur, das sei selbstverständlich.
Am nächsten Tag treffe ich auf eine andere sehr schlanke, fast magere Frau. Sie ist nicht schlank, weil sie das schön findet und es ihr wichtig ist. Sie ist sehr schlank, weil sie krank ist und nun die Grenze fast überschritten ist, hinter der die Sorgen mit dem Gewicht beginnen werden – die Sorgen mit zu geringem Gewicht und die Sorgen um die Gesundheit wegen des zu geringen Gewichtes. Sie gehört zu den oben behaupteten 0,1 Prozent der Bevölkerung, denen die positive Beantwortung der Frage lebenserhaltend wäre: „Wie nehme ich möglichst schnell an Gewicht zu?“
Wichtige Fragen, unwichtige Fragen – das Leben hat es an sich, manchmal rigoros für uns zu entscheiden, was wichtig ist und was nicht.
erschienen im Hamburger Abendblatt am 14. Februar 201
Was ist eine Lücke? Diese Frage kann vielfältig beantwortet werden. Zuerst einmal erinnere ich mich daran, dass der junge Prüfling nach der heiß ersehnten und ebenso erzitterten Prüfungsfahrt für seinen Führerschein, die er bestanden hatte, zu berichten wusste: „ Und dann auch noch auf der viel befahrenen Straße rückwärts in die Parklücke!“ Er hat sie bewältigt, diese Lücke.
Mir wurde an diesem Beispiel wieder einmal klar: Die Welt ist voller Lücken! Beim ersten Nachdenken verbinden sich negative Eindrücke mit der Lücke. Eine Lücke bedeutet Unvollständigkeit. Da ist zum Beispiel der Lückenbüßer. Das Wort allein schon lässt Negatives erkennen: Hier handelt es sich um jemanden, der eigentlich nicht eingeplant war, vergessen vielleicht, und dann doch noch „hervorgeholt“ worden ist. Dieser Jemand will keiner von uns sein.
Ich erinnere mich auch an die Frage einer Freundin an den Kellner in einem Restaurant: „Hätten Sie vielleicht einen Zahnstocher?“ Was sie damit wohl machen will? Gerade das oben Beschriebene wohl – einen ungebetenen Lückenfüller in einer vorhandenen Lücke entfernen. So ist das Leben, sagte neulich mein Zahnarzt. Mit den Jahren werden wir halt immer lückenhafter.
Lückenhafter? Da muss ich doch ganz schnell mal das Positive aus der Gedankenschublade ziehen und mir vor Augen halten, wie schön es doch sein kann, eine Lücke zu finden, wenn man eine Lücke sucht - einen guten Sitzplatz im voll besetzten Bus zu erwischen, auch wenn er schmal ist, eine Parklücke für das Auto zu erwischen, eben gerade noch den Platz zu ergattern, den man sich gewünscht hat zum Beispiel. Außerdem, was wäre Wilhelm Tell ohne die Lücke von Weltrang: Durch diese hohle Gasse muss er kommen…Wenn Schiller einer Lücke so ein Denkmal gesetzt hat, können wir uns doch nicht weiter über sie beschweren!
erschienen im Hamburger Abendblatt am 10. Februar 2011
Der hier ins Spiel gebrachte Begriff bedeutet eigentlich: tiefer Ausschnitt an Damenkleidern, der Schulter, Brust oder Rücken frei lässt. Gemeint ist also das Dekolleté. Ein schönes Dekolleté ist in der Geschichte der Damengarderobe nicht wegzudenken. Offensichtlich zeigen Frauen immer wieder gerne, was ihnen Mutter Natur an ausgepolsterten, runden Körperteilen mitgegeben hat. Es zwingt sie niemand, ihre nackte Haut zu entblößen, sie machen es freiwillig und vermuten wohl, der Welt und Umwelt damit einen schönen Anblick zu bieten. Wir gehen jetzt einmal davon aus, dass es sich wirklich um einen schönen Anblick handelt.
Das Dekolleté, von dem nun aber die Rede sein soll, hat ganz andere Qualitäten! Ich will nicht behaupten, dass sie schlechter sind. Sie haben allerdings einen ganz anderen Aufmerksamkeitswert, denn dieses Dekolleté wird von einem Körperteil gebildet, von dem wir nicht unbedingt meinen, man müsse es wie ein prächtiges Damendekolleté öffentlich bewundern. Die Rede ist vom Bauarbeiterdekolleté!
Sie wissen nicht, was das ist und haben noch nie eines gesehen? Sie vermuten ganz richtig, dass es sich auch nicht um den entblößten Oberkörper von Bauarbeitern handelt, die in der Sommersonne bräunen. Sie gehen fragend in sich und erwarten von mir nun die aufklärende Antwort? Hier ist sie.
Stellen Sie sich also vor, so ein Bauarbeiter bauarbeitet gerade. Dabei bückt er sich, die Kleidung verrutscht ein wenig und lässt Haut zum Vorschein kommen – soweit übrigens ist die Parallele zum Damendekolleté noch perfekt. Aber: Wir beobachten den Bauarbeiter von hinten!
Da können wir nun sehr gut beobachten, dass die Hose beim Arbeiten ein ganz klein wenig nach unten rutscht und die Ansätze der beiden Pobacken freigibt. Sie haben das schon gesehen. Ich bin mir sicher. Diese rudimentär freigelegten Ansätze des männlichen Pos, das nennt man Bauarbeiterdekolleté. Im Grunde ist es nichts anderes als Gleichberechtigung…nur von hinten!
Jan Kehrberger
Hier die mp3:07 Spur 7