Archive for November, 2010


erschienen im Hamburger Abendblatt am 27. November 2010

Von Johanna R. Wöhlke

24 Türchen lang Vorfreude aufs Fest

Kulturhistorikerin erklärt die Geschichte des Adventskalenders

Göksu
Dr. Cornelia Göksu

In vielen Haushalten hängt er und hilft, das Warten auf Weihnachten zu verkürzen – der Adventskalender. Aber woher stammt diese Tradition eigentlich? Im Gesprächskreis für Frauen der Michaelisgemeinde Neugraben hatte sich die Organisatorin Renate Gresens die Kulturgeschichte des Adventskalenders vorgenommen. Dazu hielt die Hamburger Kulturhistorikerin Dr. Cornelia Göksu einen Vortrag.

Der traditionelle Kalender aus Karton behauptet sich

Cornelia Göksu:  „Heute ist das Angebot kaum noch überschaubar. Es gibt Adventskalender aller Art: fromme und frivole, für Kinder und Erwachsene, mit Bierdosen, mit Leckereien für den Hund, mit CDs, im Internet und mit technischem Schnickschack.

Dennoch behauptet sich der traditionelle Adventskalender aus Karton, der schön gestaltet ist und nicht mehr als 24 Türchen zu bieten hat, noch immer bestens. Vielleicht, weil man dabei nicht so sehr vom Ziel abgelenkt wird – und das ist immer noch Weihnachten.
Andererseits rücken nicht-kommerzielle Adventskalender, wie „DER ANDERE ADVENT“ wieder die besinnliche religiös-philosophisch-christliche Seite von Weihnachten ins Zentrum.“

Und wie waren  die Anfänge? Geht man weit in der Entwicklung zurück, erscheinen die unruhevollen Mittwinternächte, erfüllt mit vielen skurrilen Gestalten und sie begleitenden Bräuchen, die von der Kirche nach und nach ins Positive entdämonisiert und umgedeutet wurden in eine klare Zeit der Erwartung, der Vorbereitung auf „die Ankunft des göttlichen Lichtes“. Dieser christliche Sinn der vier Adventswochen vor Weihnachten wurde bereits auf der Kirchenversammlung von Aachen im Jahre 826 eingeführt.

In seiner weiteren Entwicklung lässt sich der Adventskalender auch  als Zählhilfe und religiöse Adventspädagogik einstufen. Denn als sein Vorläufer wird zum Beispiel das „Kerbholz“ angesehen, das Kinder spielerisch in der Zeit vor dem ersehnten Gabenfest dazu nutzten, ihre guten Taten, zum Beispiel Gebete, Hilfe in Landwirtschaft und Haushalt, gute Noten, gutes Betragen und ähnliches dort mit einer Kerbe zu kontieren -  Zählkulte aus dem protestantisch-lutherischen Umfeld.

Der weltweit erste Adventskalender wurde allerdings erst vor 100 Jahren von der Hamburger Evangelischen Verlagsbuchhandlung Trümpler gedruckt. Sie brachte im Spätherbst 1902 einen Adventskalender auf den Markt, der dem Zifferblatt einer Uhr entlehnt war, deckte allerdings nur die Hälfe der Zeit, nämlich vom 13. bis 24. Dezember ab, ein Adventskalender als eine Art „Weihnachtsuhr“.

Eine frühe „Weihnachtsuhr“, so Cornelia Göksu, stellt auch der Adventskranz dar. Der Gründer des „Rauhen Hauses“ und der „Inneren Mission“ in Hamburg, Johann Hinrich Wichern, gilt als sein Erfinder. Dort wurde auf dem Tannenkranz, der sich auf dem großen Kronleuchter befand,  täglich zur Adventsandacht ein Licht angesteckt, vier große und 24 kleine. Später, als Wichern in Berlin Tegel das Waisenhaus leitete, wurde der Kronleuchter bald durch einen Tannenkranz ersetzt und trat von dort aus als Adventskranz nach dem 1. Weltkrieg seinen Siegeszug von Norden nach Süden an.

1908 erschien in Schwaben der erste Kalender als Bastelbogen

Der erste Adventskalender, der die gesamte Adventszeit umfasste, erschien 1908 aufgrund einer Idee des schwäbischen Pastorensohnes Gerhard Lang. Dieser „Münchner Weihnachtskalender“ erschien unter dem Titel „Im Lande des Christkinds“. Es war ein farbiger Bastelbogen, aus dem die Kinder jeden Tag eines von 24 Bildern ausschneiden sollten. Kalender mit Türchen kamen Anfang der zwanziger Jahre auf den Markt. Zuerst verbargen sich hinter den Türchen Bibelverse und Liedtexte, dann auch Bilder von Weihnachtsmännern, Engeln und Märchenfiguren.

Cornelia Göksu: „ Weniger fromm aber schmackhaft war der Kalender, den die Dresdner Firma PEA C.C.  1938 auf den Markt brachte. Erstmals konnte man den geöffneten Türen Schokolade entnehmen. Dieser Siegeszug für die Süßwarenindustrie wurde allerdings erst einmal durch den 2. Weltkrieg gestoppt.

Allerdings ging es schon 1946 weiter und zwar mit einem Kalender des Richard Sellmer Verlages in Stuttgart, der heute noch im Geschäft ist.“

 Mo Küssner

Erstaunt waren die Zuhörerinnen in Neugraben, dass der Adventskalender inzwischen auch ein Exportschlager in viele europäische Staaten ist, nach Amerika, Japan oder die Vereinigten Arabischen Emirate.

Die tragische Schokoladenliebe

Eine moderne, weihnachtliche Moritat

Ich kenne einen kranken Mann, der Süßes nicht mehr sehen kann. Schon bei dem Wort Konfiserie befällt ihn gleich die Hysterie. Hört er das Wörtchen Praliné, tut ihm sogleich die Hirnhaut weh. Und denkt er bloß an Schokolade, dann fühlt er sich total malade.

Was ist geschehn mit diesem Mann? Ich will erzählen, wie`s dazu kam.

Als Junge war er ganz normal, aß Schokolade ohne Qual, ersehnte schon von Neujahr an den Schokoladenweihnachtsmann. Näherte sich das Osterfest, freute er sich auf`s Osternest und wickelte noch auf dem Rasenaus dem Papier den Osterhasen. Es gab auch keine Osterfeier ohne reichlich Ostereier. In Glanzpapier so bunt und schön, da konnte man ihn wickeln sehn: die roten, grünen, gelben, blauen,ach, wie war`n die schön zu kauen!

So kamen und gingen die Kirchenjahre, dem Jungen wuchsen Bart und Haare. Auch nach dem Ende aller Klassen konnt` Schokolade er nicht lassen und suchte eine Arbeitsstelle an der Schokoladenquelle. Er begann also eine Lehre in einer Schokoladenfabrik.

Zu Anfang ging es noch sehr gut.

Das erste Mal kam man ins Grübeln, als er zwischen Blumenzwiebeln zum Osterfest mit großem Gram suchte nach dem Weihnachtsmann. Er suchte nach ihm überall, im Gras, im Beet, im Hühnerstall, hinter den Büschen, hinter Bäumen,im Haus herum in allen Räumen.

Sah er einen Osterhasen geriet er aggressiv ins Rasen, trat ihn kaputt mit seinem Fuß, statt ihn zu essen mit Genuss. Und als das Weihnachtsfest dann kam, stand`s noch viel schlimmer um den Mann. Er hüpfte um den Tannenbaum, fing an, dort ein Nest zu bau`n, malte bunte Ostereier für die weihnachtliche Feier.

Schrecklich auch, an manchen Tagen sah man ihn an Zapfen nagen oder auch an harten Möhren, ließ sich dabei gar nicht stören. Und es stöhnte seine Mama: Armer Sohn, welch` Psychodrama!

Was war mit diesem Mann gescheh`n? Arbeiten wir uns an die Erklärung heran.

Der junge Mann ist

1.ein Opfer des Kirchenjahres,

2. ein Opfer der Marktwirtschaft und

3. ein Opfer seiner Schokoladenliebe!

Wenn Sie meinen sollten, dass diese drei Faktoren an den Haaren herbeigezogen seien, dann lesen sie einfach weiter.

Kirchenjahr und Marktwirtschaft – haben Sie schon dran gedacht- teilen sich den Jahreslauf durch Konsum und Feiern auf. Fragte ich Sie, dann sagten Sie prompt, dass Ostern immer n a c h Weihnachten kommt. In der Marktwirtschaft muss man da anders denken,um Wirtschaftsströme richtig zu lenken. Frühjahrsmode wird uns serviert, wenn es uns noch lausig friert. Die Kataloge kommen  an lange vor dem Weihnachtsmann. Ohne vom Thema abzulenken, das nennt man antizyklisch denken. Und antizyklisch, ohne Gnade, ist`s auch bei der Schokolade.

Zu Weihnachten den Schokomann? Da fängt man schon nach Ostern an und produziert die ersten Tonnen, wenn wir uns noch am Strande sonnen. Igendwann dann im August fängt sie an, die Weihnachtslust!

Die einzige hier, die das schafft, das ist unsere Marktwirtschaft.

Dem nicht verkauften Weihnachtsmann sieht man es später gar nicht an, dass er ist ein Osterhase mit heiß eingeschmolz`ner Nase! Der Schokolade ist das gleich, denn sie ist verformbar weich. So mancher Hase, den wir essen, hat als Weihnachtsmann im Regal gesessen. Und mancher Weihnachtsmann zerfloss zu einem Osterhasenspross.

Der Fortschritt unserer Geschichte muss nun wieder ohne Reime gehen.

Stellen Sie sich also vor: Unser junger Mann produzierte

Weihnachtsmänner, wenn alle um ihn herum Osterhasen aßen und Ostereier suchten. Er produzierte Osterhasen, wenn alle um ihn herum Schokoladenweihnachtsmänner, schokoladenüberzogene Lebkuchen, Engel und andere weihnachtliche Schokoladenschleckereien aßen und Weihnachtslieder sangen.

Unser junger Mann hat viele Fehler.

Er kommt nicht damit zurecht, dass er antizyklisch arbeiten muss. Er kommt nicht damit zurecht, dass er immer wieder Weihnachtsmänner einschmelzen muss, um sie zu Osterhasen zu machen

und umgekehrt. Er kommt auch nicht damit zurecht, dass er durch seine Arbeit in der Fabrik in Festtagsstimmungen versetzt wird, die im Gegensatz zum Leben um ihn herum stehen.

Er ist ungeeignet für das Leben in der modernen Industriegesellschaft.

Er ist zu sensibel.

Er ist ein Mensch!

Gernot Seitz (links) und Karl-Heinz Hoffert

Vor 10 Jahren war es, als Oberstudienrat Karl-Heinz Hoffert im Sabbatjahr am Strand von Pisciotta, zwei Autostunden südlich von Neapel, Pino Veneroso begegnete und dann Pinos Frau Jutta kennenlernte, Lehrerin in Pisciotta und aus Buchholz in der Nordheide stammend. Was dann begann, konnte keiner ahnen: Freundschaft, Schüleraustausch, “Elternaustausch”, Besuche, regelmäßige Treffen, Kultur, Oper, Theater, Vorträge, Konzerte  – alles unter dem Gedanken deutsch-italienischer Freundschaft.

Warum ich hier darüber berichte? Meine Tochter war auch dabei. Wir hatten italienische Gäste im Haus. Wir haben zusammen gefeiert, geredet, gegessen, gesungen, gelacht – deutsch-italienisch mit viel Freude. Das ist inzwischen 10 Jahre her und noch immer treffen sich in Hamburg-Neugraben die Eltern und Freunde des Freundeskreises, um sich auszutauschen und miteinander zu lernen und zu feiern. Eine Art von dolce vita auf deutsch. Außerdem gibt es einen regen Reiseverkehr zwischen Hamburg und Pisciotta und die Gastfreundschaft in dieser zauberhaften kleinen italienischen Stadt ist berühmt!

Gernot Seitz gibt ein kleines Blatt heraus, die “Informazioni”, in dem immer die neuen Aktivitäten des Freundeskreises dokumentiert werden. Seine Frage danach, mich einmal dort vorzustellen, habe ich natürlich gerne bejaht. Ich danke herzlich dafür, meine Informationen bearbeitet und mit Bildern versehen zu haben! Ich wünsche unserem Freundeskreis an dieser Stelle noch viele schöne Jahre und verspreche: Eine Reise ins Cilento wird geplant und gemacht werden! Das ist sicher!

Achten Sie auf weitere Artikel über diesen Freundeskreis auf meiner Seite! Er ist ein Beweis dafür, dass Freundschaften halten können und langfristig Menschen zusammenführen können, die ein gemeinsames Band bindet.

Hier der neue “Freundschaftsbrief” des Freundeskreises PisciottAmburgo:

(Nach Klick auf das Bild öffnet sich der Brief)

“Kultur um drei Uhr” im Rahmen der “Kulturtage Süderelbe”  ( siehe die Ankündigung) brachte zum ersten Mal meine Musik, meine Texte und meine EGgart  zusammen. Hier einige Bilder der Veranstaltung.

Michaelis Kirche Hamburg Neugraben

Johanna Renate Wöhlke, Jan Kehrberger und Renate Gresens nach der Veranstaltung

Johanna R. Wöhlke

Träume sind Seifenblasen...

Mehr Bilder und Informationen auf www.eggart.eu

erschienen im Hamburger Abendblatt am 29.Oktober 2010

Die Frage „ ja oder nein“ ist natürlich auf vieles im Leben anwendbar. Hier aber soll es sich um einen ganz besonderen Fall handeln, der nicht anders als prekär zu nennen ist. Es geht um zwei lebenswichtige Lebensmittel: um Zwiebeln und Knoblauch! Zwiebeln und Knoblauch, meinetwegen auch Zwiebeln oder Knoblauch – ja oder nein?

Ein eng mit einer Frau verbandelter junger Mann schüttete mir diesbezüglich sein Herz aus. Ja, so meinte er sehr überzeugend, er liebe seine Freundin sehr. Ja, so fügte er genauso überzeugend hinzu, er liebe eigentlich auch Zwiebeln und Knoblauch in vielen Kombinationen, allein oder gemeinsam. Die Reihe an Lebensmitteln, die er aufzählte, war nicht kurz.

Darin aber liegt für ihn nun das Problem – denn: Die Freundin mag es nicht so sehr, wenn die gemeinsam verbrachten Stunden von Zwiebel- und Knoblauchfahnen – sagen wir es unverfänglich so – durchweht werden. Ich muss zugeben, dass dieser Gedanke mir nicht so abwegig vorkommt. Sicherlich werden viele Leser ihn teilen können und den Konflikt verstehen.

Soll die Liebe denn wirklich wegen Zwiebeln und Knoblauch Schaden nehmen? Wer kann diese Frage abschließend und befriedigend beantworten? Keiner. Sie gehört wirklich und wahrhaftig zu den wichtigen, ungelösten Fragen dieser Welt. Kein Paar wird echte Hilfe bekommen. Jedes Paar muss darauf eine eigene Antwort finden. Das macht die Liebe schwierig, ja so ist das.

Andererseits muss auch keiner verzweifeln. Wie mir neulich berichtet worden ist, gibt es im Laufe vieler Ehejahre ein sehr bewährtes Mittel, diesem Problem den Garaus zu machen: getrennte Schlafzimmer! Ich will nicht behaupten, dass alle alten Paare das wegen des Zwiebel-Knoblauch-Problems tun, niemals. Aber diese Möglichkeit beweist doch wieder einmal: Manchmal ist Nähe gut durch Ferne zu ertragen…

erschienen im Hamburger Abendblatt am 1. November 2010

Wer bekommt nicht gerne Geschenke? Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, sagt der Volksmund – nehmen wir einmal an, er ist wie immer nicht weit von der Wahrheit entfernt.

Beliebte kleine Geschenke, die uns allen immer wieder Freude machen, sind natürlich Blumen – obwohl Blumen eigentlich keine Geschenke im üblichen Sinne sind und als solche angesehen werden. Sie sind eben noch viel mehr als das.

Blumen tragen Botschaften. Wer kennt nicht die Bedeutung der roten Rose! Als ich vor vielen Jahren den Sohn der Nachbarsfamilie in meinem Blumengeschäft traf – und wann trifft man junge Männer schon in Blumengeschäften – da kaufte er eine rote Rose. Ich grüßte und schmunzelte. Er grüßte zurück und schmunzelte. Da mussten wirklich keine Worte mehr gewechselt werden.

Mit den Blumen bleibt das so im Leben. Sie und ihre Botschaften begleiten uns. Sie sind ein Universum für sich, ein Universum an Formen und Farben, das einzigartig ist: jede Blüte eine Welt für sich von der Knospe bis zum entfalteten Blütenblatt, den Duft nicht zu vergessen.

Als Heidi neulich Geburtstag hatte, da schenkte ich ihr natürlich auch einen Blumenstrauß. Sie war gerade bei mir, und es ergab sich so, dass sie den Blumenstrauß mit nach Hause nehmen musste. Sie fuhr mit dem Bus. Die Blumen wurden also wieder fein ordentlich in das Papier gewickelt. Aber irgendwie passte es nicht mehr richtig und der schöne Rosenstrauß war von oben zu sehen.

Heidi geht also zur Busstation und trifft dort einen sehr alten Herrn. Er sitzt da manchmal und schaut und kommt mit Menschen ins Gespräch. Der alte Herr sieht auch den Rosenstrauß. Er schaut Heidi an, lächelt und sagt: „Ja, ja, je älter die Damen, desto schöner die Blumensträuße!“

Heidi hat Humor und lacht. Hinterher allerdings erzählt sie diese Geschichte doch ein wenig pikiert und meint: „ Eigentlich hätte er es doch ein wenig mehr durch die Blume sagen können!“ Manchmal ist es eben wirklich besser, die Blumen für sich sprechen zu lassen…